Talent-Management während der beruflichen Grundbildung

Damit Talentförderung im Betrieb und in der Berufsfachschule eingeführt und nachhaltig umgesetzt werden kann, ist eine klare Bereitschaft aller Beteiligten, aber in erster Linie der Geschäfts- und Schulleitung nötig.

Das Talentmanagement während der beruflichen Grundbildung besteht hauptsächlich aus diesen vier Bereichen. Illustration: Jolanda Suter | jolanda.ru

Sie müssen sich deutlich für die Identifikation, Entwicklung und Anbindung von Talenten aussprechen und die dafür benötigen Mittel und Ressourcen zur Verfügung stellen. Ist die strategische Bereitschaft für die Talentförderung während der beruflichen Grundbildung gesichert, kann ein ganzheitliches Talentmanagement angegangen werden.

1. Schritt: Talentmanagementstrategie für den Betrieb definieren

In einem ersten Schritt ist zukunftsorientiert zu überlegen, welche Fähigkeiten und Kompetenzen exzellente Fachkräfte für den Betrieb und die Branche mitbringen sollten. Daraus lässt sich ableiten, welche Fähigkeiten und Kompetenzen davon schon während der beruflichen Grundbildung gefördert werden können.

Zentrale Fragen sind:

  • Welche Fachkräfte wollen wir für unseren Betrieb / unsere Branche aufbauen?
  • Welche Fähigkeiten oder Ausbildungen sollen sie haben (Fachhochschule, HF, unternehmerische usw.)?
  • Welche dieser Kompetenzen kann bereits in der beruflichen Grundbildung gefördert werden?

2. Schritt: Talentidentifikation

In einem zweiten Schritt ist festzulegen, auf welche Kompetenzen und Eigenschaften bei der Selektion von begabten Lernenden Wert gelegt werden soll. Die berufliche Begabung muss als Zusammenspiel mehrerer Begabungen verstanden werden. Je nach Beruf und Betriebsgrösse ist eine eigene Konstellation erforderlich, um Höchstleistungen zu erbringen. Es gibt also keinen allgemein gültigen Anforderungskatalog, der für die Erkennung von potenziellen Talenten in allen Berufsfeldern angewendet werden kann. Die Talentidentifikation im Betrieb beginnt daher mit der Entwicklung eines betriebsinternen Kriterienkatalogs.

  • Definition eines berufs- und betriebsspezifischen Kompetenzen-Katalogs. Bei grösseren Betrieben mit einer grösseren Anzahl Lernenden lohnt sich die Entwicklung oder Adaption eines Identifikationsinstruments für die systematische Talentförderung und eines für alle nachvollziehbaren Talentidentifikationsprozesses.
  • Festlegen eines Rhythmus / Zeitpunktes, wann die Lernenden auf die Kompetenzen evaluiert werden sollen (z.B. immer Ende Semester)
  • Erarbeiten eines Bewertungsraster für die Identifikation und Evaluation (vgl. Vorlage Anhang)
  • Anerkennen des Talents: Kommunikation gegenüber dem Talent; betriebsinterne Kommunikation über die anstehende Förderung; Aufnahme in den Talentpool; etc.

Lesen Sie mehr zum Thema Talentidentifikation.

3. Schritt: Förderung

Förderung beruht auf Training und der Förderung der Freude/Motivation, seine Stärken anzuwenden und zu verfeinern und in die Aufgaben einfliessen zu lassen. Talentfördermassnahmen müssen so ausgearbeitet sein, dass sie an die persönlichen Lernprozesse der begabten Lernenden angepasst werden können. Es existiert also kein einheitliches „Talentförderprogramm“, das in allen Berufsfeldern – oder auch nur schon innerhalb eines einzelnen Berufsfeldes – für alle leistungsstarken Lernenden angewendet werden kann. Vielmehr entsteht ein individuelles Förderprogramm durch die sinnvolle Auswahl und Kombination der verschiedenen, verfügbaren betrieblichen, schulischen und externen Fördermassnahmen.

  • Definieren, welche Fördermassnahmen für den Betrieb grundsätzlich in Frage kommen. Hat der Betrieb die Möglichkeit, ein betriebsinternes Förderkonzept zu erarbeiten und die Förderung betriebsintern anzubieten? Soll der Fokus auf Berufsmeisterschaften gelegt werden? Bieten sich eher Berufspraktika in einem anderen Landesteil oder im Ausland an – und hat der Betrieb weitere Niederlassungen / Partnerbetriebe, oder soll für die Planung mit einer Organisation wie visite zusammengearbeitet werden?
  • Informieren Sie sich, welche Förderangebote die Berufsfachschule und der Branchenverband für den Beruf anbieten (z.B. bilingualer Unterricht, Freikurse, Berufspraktika im Ausland, Vorbereitungen auf Berufsmeisterschaften, etc).
  • Erstellen eines Merkblattes / Faktenblattes mit den möglichen Massnahmen bzw. bei grösseren Betrieben mit einer grösseren Anzahl Lernenden erarbeiten eines Konzeptes.

Lesen Sie mehr zum Thema Fördermassnahmen.

4. Schritt: Anbindung

Leistungsstarke Lernende, die während der beruflichen Grundbildung speziell gefördert wurden, nützen dem Betrieb wie auch der Branche. Lassen Sie Überlegungen zu Anbindung und der weiteren Förderung nach Abschluss der Lehre in Ihre Talentmanagementstrategie einfliessen.

 

LITERATUR ZUM TALENTMANAGEMENT WÄHREND DER BERUFLICHEN GRUNDBILDUNG

Marliese Kammermann (2013). Begabtenförderung in der beruflichen Grundbildung in der Schweiz – eine Bestandesaufnahme. In: Begabungs- und Begabtenförderung im dualen Ausbildungssystem; Ulrike Kempter, Ramona Uhl (Hrsg). Trauner Verlag.

Matthias Krüger, Una M. Röhr-Sendlmeier, Lisa Bleckmann, Anja Pütz (2014). Förderung beruflich begabter Auszubildender – Entfaltung von Lernpotenzialen jenseits der klassischen Begabungsforschung. In: Bildung und Erziehung 67.4/2014. Böhlau Verlag, Wien Köln Weimar.

Margrit Stamm & Michael Niederhauser (2008). Leistungsexzellenz in der beruflichen Ausbildung. Theoretische Überlegungen und empirische Befunde zu einer Schweizer Längsschnittstudie. Empirische Pädagogik, 22, 4, 552-568.

Margrit Stamm (2009). Ein kluger Kopf allein reicht nicht. In: Panorama, 3/2009.
http://margritstamm.ch/dokumente/onlinepublikationen/204-ein-kluger-kopf-allein-reicht-nicht-2009/file.html

Margrit Stamm (2012). Dossier 12/1: Talentmanagement in der Berufsbildung. Was wir wissen sollten, um die Innovationskraft der Berufsbildung voranzutreiben.
http://margritstamm.ch/dokumente/dossiers/220-dossier-talentmanagement-in-der-berufsbildung-2012/file.html

Margrit Stamm (2017). Goldene Hände. Praktische Intelligenz als Chance für die Berufsbildung. Hep Verlag.

Margrit Stamm (2017). Der harte Weg an die Spitze. In: Aargauer Zeitung / Die Nordwestschweiz, 06.02.2017, 16.
http://www.margritstamm.ch/blog/bloguebersicht-bildung-und-erziehung/entry/der-harte-weg-an-die-spitze.html

Margrit Stamm (2017). Dossier 17/1: Die Top 200 des beruflichen Nachwuchses. Was hinter Medaillengewinnern an Berufsmeisterschaften steckt.
http://margritstamm.ch/dokumente/dossiers/251-die-top-des-beruflichen-nachwuchses-was-hintermedaillengewinnern-an-berufsmeisterschaften-steckt/file.html

Margrit Stamm (2019). Dossier 19/1: Top und Flop an der Lehrabschlussprüfung. Qualifikationsverfahren unter der Lupe. Swiss Education, Aarau.
https://docplayer.org/157096287-Top-und-flop-an-der-lehrabschlusspruefung.html

Margit Stein, Hans-Ludwig Schmidt, Beatrice Günther, Carl Heese, Bernhard Babic (2003). Berufliche Begabung erkennen und fördern. Heft 67, Schriftenreihe des Bundesinstituts für Berufsbildung, Bonn.
https://www.bibb.de/dokumente_archiv/pdf/wd 67_berufliche-begabung.pdf

Rudolf Tippelt & Bernhard Schmidt (Hrsg.) (2017). Hochbegabte, Begabtenförderung und Bildung. pp 1-18. In: Handbuch Bildungsforschung. Springer Verlag.

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